Resistente Stärke – unterschätzter Helfer
Was ich bisher über Resistente Stärke wusste
Im Rahmen meiner Ausbildung war Resistente Stärke ein Thema im Rahmen ihrer Bedeutung in der Kohlenhydratverdauung. Dort galt: Resistente Stärke ist eine Form von Stärke, die im Dünndarm nicht enzymatisch abgebaut werden kann und daher primär als schwerverdaulich gilt. Ich lernte, dass man zwischen verschiedene Typen unterscheidet. Dabei begegnete mir lediglich zwei Arten:
Variante A) Natürlicherweise schwer zugänglich bzw. enzymatisch resistent Stärke wie in rohen Kartoffeln oder ganzes, grobes Getreide. Diese Formen bleiben unverdaut und gelangen in den Dickdarm, wo sie von der Darmmikrobiota fermentiert werden. Dadurch wird die mikrobielle Stoffwechselaktivität moduliert, was sowohl erwünscht als auch problematisch sein kann – je nach Menge, Tier und Zustand der Darmflora.
Variante B) Retrogradierte Stärke. Durch thermische Behandlung (Kochen) veränderte Stärke. Sie wird gekocht und anschließend wieder abgekühlt, dies verändert ihre Struktur und es entsteht die retrogradierte Stärke, z.B. in Kartoffeln. Diese Form ist besser fermentierbar und kann in moderaten Mengen positive Effekte auf die Darmflora haben.
Aber das ist noch längst nicht alles. Insgesamt gibt es vier verschiedene Typen von Stärke, die sehr gezielt genutzt werden können, wie mich mein hochsensibler und Pankreasinsuffizienter Rüde Fridolin lehrte.
Was ist resistente Stärke und warum kann sie für sensible Hunde eine Unterstützung sein?
Resistente Stärke (RS) ist eine besondere Form von Kohlenhydraten. Anders als normale Stärke wird sie nicht im Dünndarm verdaut, sondern gelangt unverdaut in den Dickdarm. Dort dient sie den „guten“ Darmbakterien als Nährstoffquelle. Ein Effekt, der sich positiv auf die Darmflora, die Schleimhautregeneration und sogar auf chronische Verdauungsprobleme auswirken kann. Gerade bei Hunden mit Pankreasinsuffizienz, Unverträglichkeiten oder Dysbiose kann der gezielte Einsatz resistenter Stärke eine wertvolle Rolle spielen.
Die vier Haupttypen resistenter Stärke
RS1 – Physikalisch unzugängliche Stärke in ganzen Körnern, Saaten, Hülsenfrüchten. Diese eingeschlossene Stärke ist schwer zugänglich für Verdauungsenzyme.
RS2 – Natürlich resistente Stärke ist zu finden in rohen Kartoffeln, grüne Bananen oder rohen Maniokwurzel. Abgesehen davon, dass diese Stärke im rohen Zustand unverdaulich ist, sollten diese Beispiele unter keinen Umständen roh gefüttert werden, da sie natürliche Giftstoffe enthalten wie Solanin und Blausäure. Siehe dazu auch folgenden Beitrag: https://pfotenfunk.com/kartoffeln-richtig-verfuettern/
RS3 – Retrogradierte Stärke in gekochten und abgekühlten Reis‑, Kartoffel- oder Hafermengen. Dieser Typ entsteht beim Abkühlen gekochter Stärkequellen.
RS4 – Industriell modifizierte Stärke, also veränderte Lebensmittelstärke, ist in der Hundeernährung teilweise in Fertigfutter und Snacks zu finden in Form von modifizierter Tapioka- oder Reisstärke, wo sie als Bindemittel oder Stabilisator dient.
Warum RS3 für sensible Hunde oft besonders interessant ist
RS3 – die Stärke, die durch Abkühlen nach dem Kochen entsteht, wird im Dünndarm nicht mehr gespalten. Stattdessen fungiert sie wie ein Ballaststoff: Sie stabilisiert den Blutzuckerspiegel, belastet die Verdauung weniger stark, kann entzündungshemmend wirken und die Fettverwertung entlasten. Viele Hunde mit empfindlichem Magen-Darm-Trakt oder Pankreasproblemen vertragen RS3 deshalb besser als frisch gekochte Stärke. Aber auch hier gilt: Es ist immer eine Frage des individuellen Hundes und seines Darmmikrobioms.
Beispiel aus der Praxis: Fridolin
Fridolin, mein Rüde mit diagnostizierter Pankreasinsuffizienz und multiplen Unverträglichkeiten, konnte über lange Zeit fast ausschließlich Maniok (eher RS2) und Topinambur gut vertragen. Zwei Zutaten die schwer zu kriegen und recht hochpreisig sind. Ich griff auf Maniokmehl zurück, welches zu einem Brei angefertigt werden muss. Ein garnicht so einfaches Unterfangen, da keine Mehlklümpchen über bleiben dürfen, da diese nicht vollständig erhitzen und dann weiterhin Blausäure enthalten. Nach der nun Dritten erfolgreichen Darmsanierung ist es nun endlich wieder möglich, gekochten und abgekühlten Reis (RS3) sowie sogar Rindfleisch statt Hirsch schrittweise in seinen Futterplan zu integrieren – ohne sofortigen Ausschlag oder massivem Durchfall.
Siehe dazu auch meine Beiträge über Darmsanierung, Intoleranzen und Allergien, denn letzteres lässt sich durch eine vernünftig durchgeführte Darmsanierung beheben:
- https://pfotenfunk.com/intoleranz-unvertraeglichkeit-allergie-wo-ist-der-unterschied/
- https://pfotenfunk.com/darmsanierung-beim-hund-wenn-dann-richtig/
Mein Fridolin dient hier als ein konkretes Beispiel dafür, wie sich die Verträglichkeit resistenter Stärke im Krankheitsverlauf verändern kann. Doch jeder Fall muss individuell betrachtet und die Ernährung individuell angepasst werden.
Kohlenhydrat Quellen im Praxis-Vergleich
Welches Lebensmittel enthält aber RS3 nach dem Abkühlen? Und auch hier ist die Verträglichkeit wieder ganz individuell, je nach Status des Hundes und seiner Verdauung.
- Weißer Reis (gekocht und abgekühlt) enthält viel RS3 und ist häufig gut verträglich.
- Haferflocken (gekocht, gequollen, abgekühlt) enthält teilweise RS3 und ist mäßig bis gut verträglich.
- Kartoffeln (abgekühlt) enthält RS3, ist leider jedoch sehr häufig problematisch bei Intoleranzen oder Problemen mit dem Pankreas.
- Maniok (gekocht) enthält RS3 und ist in moderaten Mengen individuell gut einsetzbar.
- Süßkartoffeln enthalten kaum RS3 und sind in der Verträglichkeit sehr variabel
- Quinoa, Buchweizen und Hirse (gekocht, gequollen und abgekühlt). Sie enthalten RS3 aber anteilig noch RS1/RS2, daher sind sie oft schwierig bei sensiblen Hunden und nur in moderaten Mengen einzusetzen.
Anwendungstipps für die Praxis
Stärkequellen wie Reis oder Haferflocken lange kochen und gut abkühlen lassen. Kühl lagern und bei Bedarf nur leicht anwärmen, aber nicht wieder heiß machen, da sonst die RS3 verloren geht. Denn das verändert die Struktur erneut und die eingelagerte Stärke wird wieder freigesetzt und wieder zu normaler Stärke, die nicht mehr im Dickdarm fermentiert wird, sondern im Dünndarm verdaut und aufgenommen.
RS3-Quellen werden fermentiert, wirken präbiotisch und lassen sich gut mit faserreichen Gemüsen wie Karotte oder Zucchini kombinieren, was zusätzlich die Darmgesundheit unterstützt. Denn sie enthalten Zellulose, Hemizellulose, Pektin und Lignin. Sie dienen ebenfalls als Präbiotika, also Nährboden für die guten Darmbakterien. Zusätzlich fördern sie die Bildung kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat, diese wirkt entzündungshemmend. Sie wirken dazu als Ballaststoff und regen die Darmperistaltik an, dies bezeichnet die wellenförmigen Muskelkontraktionen im Verdauungstrakt, die den Weitertransport des Nahrungsbreis ermöglichen und damit einen regelmäßigen Kotabsatz fördern. Aber auch hier gibt es Grenzen, denn zu viele Ballaststoffe wirken wiederum abführend, denn sie beschleunigen und verkürzen den Aufenthalt in den einzelnen Darmpassagen und behindern damit die Nährstoffresorption.
Unverträglichkeiten gegenüber RS3 sind selten aber möglich, deshalb gilt auch hier: Jede Umstellung langsam testen, denn nicht jeder Hund reagiert gleich.
Vorteil für stoffwechselanfällige Hunde!
Normale Stärke wird im Dünndarm durch das Enzym Amylase schnell in Glukose aufgespalten. Das bedeutet: rasche Glukosefreisetzung, was daraufhin den Blutzucker stark ansteigen lässt. Die Folge kann eine Hyperglykämie (hoher Blutzucker) und Hyperinsulinämie (starke Insulinausschüttung) sein. Für Hunde mit Adipositas oder Diabetes mellitus ist das nachteilig, weil ihr Stoffwechsel bereits belastet ist.
Da Resistente Stärke hingegen wie bereits erklärt nicht im Dünndarm verdaut wird, sondern unverändert in den Dickdarm gelangt, wird sie dort durch die Darmmikrobiota fermentiert und wirkt wie erläutert präbiotisch. Dadurch, dass sie den „guten“ Bakterien im Darm als Nährboden dient, entsteht kein schneller Blutzuckeranstieg. Für stoffwechselanfällige Hunde (z. B. übergewichtig oder diabetisch) kann resistente Stärke ein echter Ernährungsvorteil sein.
Zusammenfassung
Resistente Stärke, vor allem in Form von RS3, ist eine oft übersehene Möglichkeit, die Ernährung empfindlicher Hunde gezielt zu ergänzen. Sie wirkt nicht nur darmregulierend, sondern kann auch helfen, Verdauungsenzyme zu entlasten sofern die Quelle verträglich ist.
Fridolin zeigt immer wieder, dass sich auch nach schweren Phasen mit der richtigen Ernährung viel regulieren lässt. So, dass wir inzwischen weniger Enzyme supplementieren brauchen. Sein Darmmikrobiom ist nach der 3. Darmsanierung (bislang 1x pro Jahr) so stabil, dass sich Durchfälle selbstregulieren können. Kreuzallergien verschwanden, Intoleranzen ließen sich differenzieren und Hautausschläge verschwanden gänzlich. Sein Weg war bislang sehr schwierig, aber damit steht er stellvertretend für viele Hunde mit ähnlichen Problematiken. Nicht jedes Problem lässt sich flink beheben, aber dran bleiben lohnt, auch wenn man dazu ganz neue Wege ausprobiert, welche erstmal anstrengend wirken, aber nicht von Dauer sein müssen.
Quellen zu resistenter Stärke (RS) & Stärken-Typen
- Ernährung des Hundes, Grundlagen-Fütterung-Diätetik von Jürgen Zentek und begründet von Helmut Meyer. 9. Auflage Seite 61 und 62
- T0-1he ‚Comparative Nutrition Review‘ zur resistenten Stärke bei Hunden („Types of Resistant Starch“ & Wirkung auf Fermentation, Butyratbildung etc.) PDF eines Reviews über RS‑Typen (RS1–RS4) und deren präbiotische Wirkung -> https://www.k‑state.edu/research/industry/company/petfood-old/events/docs/2016/comparative-species-resistant-starch-nutrition.pdf
- PetfoodIndustry: „Is resistant starch a future fiber in petfoods?“ Beschreibt RS1–RS4, betont RS3 als fermente Instanz im Dickdarm -> https://www.petfoodindustry.com/nutrition/pet-food-ingredients/article/15460086/is-resistant-starch-a-future-fiber-in-petfoods
- Frontiers in Nutrition – Narrative Review, 2024 – Überblick über RS‑Inhalte, gesundheitliche Auswirkungen und Verarbeitungseffekte -> https://www.frontiersin.org/journals/nutrition/articles/10.3389/fnut.2024.1369950/full
- Wikipedia – Resistente Stärke – Übersicht zu RS1–RS4, Fermentation im Dickdarm, Butyratproduktion & unterschiedlicher Verdaulichkeit -> https://de.wikipedia.org/wiki/Resistente_St%C3%A4rke
